Die ältesten Grundlagenwerke, die noch heute im Gebrauch sind, werden Kaisern zugeschrieben, die mehrere Jahrtausende vor unserer Zeitrechnung gelebt hatten. Das sind Legenden. Wie es zu diesen Texten tatsächlich kam, mag auch in Zukunft im Dunkeln bleiben. Gesichert ist, dass sie vor mindestens 2000 Jahren zusammengestellt worden sind: das Shen Nong bencao jing, eine Pflanzenheilkunde, und das Huang di Neijing, eine ausführliche Darstellung sowohl der Diagnose- und Therapieverfahren als auch der Akupunktur. Nach Beginn unserer Zeitrechnung entstand das Shang Han Lun, eine Abhandlung über Kälte-Krankheiten. Sie gilt als die älteste klinische Abhandlung der Medizingeschichte überhaupt. Ihren Höhepunkt erreichte die chinesische Medizin in der Ming-Dynastie (1368 bis 1644). Aus dieser Zeit stammen eine Reihe berühmter Schriften, darunter das Ben Cao Gang Mu, ein Kompendium der Materia Medica.
Mit Beginn der jesuitischen Mission gegen Ende des 16. Jahrhunderts begann zunächst eine Zeit des gegenseitigen Austauschs. Ab Beginn der Qing-Dynastie (ab 1644) wirkten Jesuiten am kaiserlichen Hof als Astronomen, Geographen, Maler, Architekten oder Mathematiker. Umgekehrt erzählten die Reisenden, zurück von ihrer Reise, einem staunenden Publikum von fremden Künsten und Wissenschaften. Die Berichte über die medizinischen Künste in China riefen im Paris von damals eine Mode der Akupunktur hervor.
In einer neuen Lage befand sich China in der 2. Hälfte des 19 Jahrhunderts. Westliche Mächte hatten gemeinsam mit damals zur Verfügung stehender, geballter Waffengewalt den Zugang zu den Märkten erzwungen (Opiumkriege, 1839-1842 und 1856 bis 1860). Westliche Technik und Wissenschaft drang in der Folge ungehindert in den Alltag der städtischen Bevölkerung ein. In den Städten wuchs die Zahl derer, die ihre Krankheiten nach den importierten westlichen Methoden behandelt haben wollten, nicht mehr nach den hergebrachten. Diejenigen, die nach altem Handwerk zu heilen versprachen, wurden gar in die Enge getrieben. Es gab Diskussionen und Androhungen, sie zu verbieten, als Hemmschuh für eine reibungslose Abwicklung einer Transformation in den westlichen Stil der Effektivität durch Rationalität. In die Gegenrichtung schwang das Pendel unter Mao Zedong. Es galt, die ländliche Bevölkerung eines riesigen Reichs mit Ärzten zu versorgen. Die Lösung ergab sich im Modell der Pflege und Kontrolle der althergebrachten und gerade in der ländlichen Bevölkerung verbreiteten Heilkunst. Neue Hochschulen für die chinesische Medizin wurden gegründet, alte Klassiker neu entdeckt und für die Moderne aufbereitet.