Die chinesische Kräuterheilkunde wird oft als Herzstück der TCM bezeichnet. In der chinesischen Arzneimitteltherapie verwendet man vorwiegend Pflanzenteile wie getrocknete Wurzeln, Rinden, Früchte, Samen, Blüten, Blätter oder Stängel, aber auch Mineralien und einige wenige tierische Produkte. Geschützte Arten aus dem Tier- und Pflanzenreich werden selbstverständlich nicht mehr eingesetzt. In Österreich sind etwa 600 verschiedene Heilpflanzendrogen erhältlich, welche meist als Tee oder als Pulver verordnet werden. Doch verwendet man sie nur selten als Einzelmittel.
Die hohe Kunst der chinesischen Arzneimitteltherapie liegt im geschickten Kombinieren einzelner Substanzen miteinander. Da jeder Patient sein ureigenes Krankheitsmuster hat, helfen einzelne Mittel oder vorgefertigte Mischungen meist nicht optimal. Die in der Traditionellen Chinesischen Medizin verwendeten Arzneimittel werden für den Patienten stets individuell zusammengestellt. Die Arzneimittel werden jeweils einer energetischen Eigenschaft (kalt, kühl, neutral, warm, heiß) und einer Geschmacksrichtung (süß, salzig, bitter, sauer, scharf) zugeordnet. Die Arznei wird je nach der gewünschten therapeutischen Wirkung entsprechend seiner Eigenschaft und seiner Geschmacksrichtung ausgewählt. Die thermische Eigenschaft bezieht sich auf die Wirkungen, die sie im Organismus entfaltet.
Warme und heiße Kräuter wirken innerlich wärmend oder können in den Körper eingedrungene, krankmachende Kälte vertreiben. Manche dieser Kräuter wirken im Körperinneren und können die geschwächte Funktion z.B. der Verdauungsorgane oder von Blase und Nieren anregen. Entsprechend kann man sie bei Patienten anwenden, die eine schwache Verdauung oder eine schwache Blase haben, oft frieren, immer kalte Füße haben und häufig zur Toilette müssen oder Wasseransammlungen in den Beinen haben. Andere dieser warmen Kräuter wirken an der Körperoberfläche und können durch Unterkühlung bzw. Erkältung eingedrungene Kälte über ihre schweißtreibende Wirkung wieder ausleiten. Auf diese Weise kann man Erkältungen sehr schnell und effektiv behandeln – vorausgesetzt, man beginnt sofort in den ersten zwei Tagen der Erkältung mit der Behandlung. Als Hausmittel kann man sich bei einer Erkältung vom Wind-Kälte-Typ einen Ingwertee aus frischem Ingwer und etwas Zucker machen. Nach der Einnahme sollte man sich am besten ins Bett legen und durch ein leichtes Schwitzen die Erkältung ausschwitzen.
Die kühlen und kalten Kräuter andererseits können Entzündungen zum Abklingen bringen oder Überfunktionen oder akute allergische Reaktionen beruhigen. Sowohl bei akuten als auch bei chronischen Entzündungen der verschiedenen Organsysteme oder der Haut kann man diese Arzneidrogen einsetzen. So sieht man in der Chinesischen Medizin beispielsweise Ekzeme mit starker Rötung der Haut als Hitze im Blut an, die man mit kühlen Kräutern, welche auf der Blut-Ebene wirken, behandeln kann. Besteht außerdem Juckreiz, ist zusätzlich zur Hitze auch noch der pathogene Faktor Wind im Spiel. In diesem Fall würde man die Blut-Hitze kühlenden Kräuter mit Wind zerstreuenden Kräutern kombinieren. Nach diesem Prinzip kombiniert man jeweils mehrere Kräuter miteinander, um die jeweils vorliegende Konstellation von pathogenen Faktoren zu behandeln. Da die chinesischen Kräuter nicht nur nach ihrer Energetik, sondern auch nach ihrem Bezug zu den Leitbahnen, Organen und Körperebenen kategorisiert sind, kann man sie sehr gezielt einsetzen. Diese sehr genaue Beschreibung der Wirkung der Kräuter in der Chinesischen Medizin und die Jahrtausende lange ununterbrochene, dokumentierte klinische Erfahrung ist der entscheidende Vorteil der chinesischen Arzneimitteltherapie.
Um zu einer Syndromerstellung zu kommen tastet der Therapeut den Puls und betrachtet die Zunge und deren Beschaffenheit. Daraufhin wird ein sog. energetisches Bild bzw. Syndrom erstellt. Auf Basis dieser Diagnose erstellt der Therapeut eine Rezeptur.
Dabei gibt es ein oder mehrere Kaiserkräuter, also die Kräuter die die Hauptursache behandeln sollen. Dazu kommen noch Assistenzkräuter welche das Kaiserkraut unterstützen. Zum Beispiel kann aus einem Milz Qi Mangel (Verdauungsschwäche) Nässe im Organismus entstehen (z.B. Durchfälle oder Ödeme). Dabei wird Rhizoma Atractylodes macrocephalae (Bai Zhu) als Kaiserkraut verwendet und Scleroderma Poria (Fu Ling) als Assistent. Dabei ist Bai Zhu thermisch warm und Fu Ling neutral, beide sind süß, wobei Bai Zhu zusätzlich eine Bitterkeit besitzt. Wegen der Wärme der Kombination sollte der Zungenkörper blass sein (entspricht innerer Kälte, also Energieschwäche) bei bestehender Nässe treten bei der Zunge Zahnabdrücke und eine Verdickung auf.
Zusätzlich gibt es sog. Polizeikräuter und Botschaftskräuter. Botschaftskräuter bringen die Wirkung der Rezeptur zu einem bestimmen Organ oder Ort. Polizeikräuter verhindern eine überschießende Wirkung einer Rezeptur. Beide sind nicht immer in einer Rezeptur enthalten.
Insgesamt kennt ein Therapeut ca. 500 - 1000 Einzelkräuter und ebenso viele historische Rezepturen.